Telematik-Tarife in der KFZ-Versicherungsbranche: Preisnachlass gegen Datenfreigabe – inwieweit ist das datenschutzrechtlich zulässig?

Geschrieben am 20.02.2024 von:

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Was sind Telematik-Tarife? Telematik-Tarife oder auch „pay-as-you-drive”-Tarife haben ihren Namen aus einer Kombination von Telekommunikation und Informatik. Bei diesen Tarifen geben die Kundinnen und Kunden (nachfolgend auch „Versicherungsnehmer“) einer KFZ-Versicherung ihre mit einer Smartphone-App oder einer im Fahrzeug installierten Box gemessenen Fahrdaten weiter. Die Versicherungsunternehmen analysieren die Fahrweisen der Kundinnen und Kunden, beachten dabei Dinge wie das Beschleunigungs- oder Bremsverhalten und bewerten diese anschließend nach einer umsichtigen oder riskanten Fahrweise. Es wird ein Score vergeben und die Kundinnen und Kunden können Rabatte erhalten. Je besser der Fahrstil bewertet ist, desto höher die Rabatte. Die Versicherungsunternehmen erhoffen sich davon weniger Autounfälle und damit eingesparte Kosten. Doch ist das so datenschutzrechtlich zulässig?

Das BGB regelt im Bereich der Verbraucherverträge eine Gleichstellung eines Entgelts mit der Bereitstellung von Daten in § 312 Abs. 1 a) und § 327 Abs. 3. Für eine gewisse Gegenleistung wird eine Reihe von Informationen bereitgestellt. Laut Gesetzgeber ist ein Telematik-Tarif genau mit einem solchen Fall gleichzustellen. Nun fordert jedoch die DS-GVO (Datenschutz-Grundverordnung) für die Zulässigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten einen Rechtfertigungsgrund bzw. eine Rechtsgrundlage. Diese bzw. dieser kann zum Beispiel bei einer Datenverarbeitung vorliegen, die für die Abwicklung oder Erfüllung von vertraglich geschuldeten Leistungen unbedingt erforderlich ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 b) DS-GVO).

Zählen jedoch fahrzeugbezogene Daten auch zu personenbezogenen Daten? Personenbezogene Daten ermöglichen es, eine Person direkt oder indirekt zu identifizieren. Durch die erfassten fahrzeugbezogenen Daten und eventuell weitere hinterlegte Informationen kann sich ein Bezug zum Fahrzeughalter und somit zum Versicherungsnehmer herstellen lassen. Somit fällt eine solche Datenverarbeitung grundsätzlich unter den Datenschutz bzw. die DS-GVO. Der Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Abs.1 c) DS-GVO besagt, dass die Daten, die erhoben werden sollen, nur auf das notwendige Maß beschränkt werden dürfen. Daher muss konkret geprüft werden, welche Daten für die Zweckerreichung zwingend erforderlich sind.

Zusätzlich gilt es, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Person zu beachten. Die Kundinnen und Kunden sollten sich eindeutig und selbständig für den Telematik-Tarif und somit die Preisgabe ihrer Daten entscheiden. Der Versicherungsnehmer muss umfassend über die wirtschaftliche Tragweite der Entscheidung aufgeklärt werden (vgl. Art. 12 ff. DS-GVO) sowie über die von seiner Seite aus zu erfüllenden Kriterien. Der Gerichtshof der Europäischen Union verlangt an dieser Stelle, dass es dem Versicherungsnehmer möglich sein muss, die „wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen“. Ihm muss offengelegt werden, welche Daten gespeichert und erhoben oder sogar an Dritte übermittelt werden. Es könnte auch sein, dass die Daten einer Strafverfolgungsbehörde offengelegt werden. Sollte die Polizei in einer Unfallsituation die Daten auslesen und diese decken sich nicht mit der geschilderten Aussage des Versicherungsnehmers, könnte dies aufgrund einer getätigten Falschaussage zu Problemen führen. Allerdings darf die Polizei nur bei schwerwiegenden Straftaten auf die Daten zugreifen.

Doch dürfen Versicherungsunternehmen Telematik-Tarife aus datenschutzrechtlicher Sicht überhaupt anbieten und abschließen? In allererster Linie muss geprüft werden, ob die geplante Datenverarbeitung rechtmäßig ist (vgl. Art. 5 Abs. 1 a) DS-GVO), d. h. es muss eine einschlägige Rechtsgrundlage bzw. ein Erlaubnistatbestand vorliegen. Beispielsweise könnte es sich diesbezüglich bei Art. 6 Abs. 1 b) (Vertragsverhältnis bzw. vorvertragliche Maßnahmen) und/oder Art. 6 Abs. 1 a) DS-GVO (Einwilligung) um mögliche Erlaubnisnormen handeln. Laut EuGH geht eine Rechtmäßigkeit mit Art. 6 Abs.1 b) DS-GVO nur einher, wenn eine darauf gestützte Datenverarbeitung objektiv unerlässlich ist, um einen Zweck zu verwirklichen, der für den Betroffenen (Versicherungsnehmer) ein notwendiger Bestandteil des Vertrags ist (z. B. der Erhalt von Rabatten). Das Versicherungsunternehmen sollte mit Blick auf seine Rolle als verantwortliche Stelle deutlich machen, wie der Rabatt zustande kommt. Die Berechnung sollte für den Versicherungsnehmer plausibel und nachvollziehbar sein, damit er sein Fahrverhalten infolgedessen ausrichten kann. Weiterhin sollte der Versicherungsnehmer transparent gemäß Art. 12 ff. DS-GVO über die stattfindende Datenverarbeitung informiert werden. Dies betrifft unter anderem auch die Angabe der Speicherdauer und möglicher weiterer Empfänger(-kategorien) der personenbezogenen Daten. Falls unterstützend Auftragsverarbeiter eingesetzt werden (z. B. zur Auswertung des Fahrverhaltens), sollte zwingend berücksichtigt werden, dass mit diesem ein Auftragsverarbeitungsvertrag gemäß Art. 28 DS-GVO geschlossen werden muss.

Weiterhin wäre wohl noch mit Blick auf die möglichen Risiken bei der Datenverarbeitung eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DS-FA) durchzuführen. Bei Telematik-Tarifen werden personenbezogene Daten umfangreich erhoben und mithilfe dieser das Fahrverhalten der betroffenen Person ausgewertet. Dies stellt eine Bewertung des (Fahr-)Verhaltens dar. Da Telematik-Daten auch mithilfe eines Mobilfunkgeräts erfasst werden können und dadurch zusätzlich Aufenthaltsort sowie Bewegungsmuster bestimmt werden, wird die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung wohl unumgänglich sein.

Du bist dir bei der Umsetzung von Telematik-Tarifen und den hiermit zusammenhängenden datenschutzrechtlichen Vorgaben unsicher?  – kein Problem, melde dich einfach bei uns und unsere Expertinnen und Experten helfen dir weiter. Komm einfach auf uns zu!


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